»Geh da nicht hin! Warte noch!« Der junge Browser gehorchte widerwillig. Er merkte, wie der Boden anfing zu vibrieren.
Die Lichter in den Glasfaserwurzeln blitzten immer noch unaufhörlich in alle Richtungen. Überall wuchsen Blumen aus den Wurzeln und fingen an zu pulsieren, doch die Tiere und Wesen, die sich vor kurzem noch andockten, waren nicht da. So pulsierten mit der Zeit immer mehr Blumen um den Jungspund.
Plötzlich spürte er ein Kribbeln um und auf seinen Pfoten, doch die Nebeldecke knapp über dem Boden war so dicht, dass er nichts erkennen konnte. Er hob vorsichtig eine Pfote und sah das gut duzende Ameisen dran hingen. Der unerfahrene Browser versteinerte schlagartig. Der ohrenbetäubende Lärm ließ nach, doch der Adler kreiste immer noch und beobachtete die matt leuchtende Blume. Die Ameisen machten sich sofort ans Werk, als sie die traurig wirkende Blume erreichten. Sie kappten die Blüte und öffneten sich dadurch einen Weg zu dem sporeninfizierten Datenübertragungssamen. Kaum hatten sich einige an den Samen angedockt, sauste dieser zurück Richtung Glasfaserwurzel und steuerte von dort einen der alten Serverbäume an, der wahrlich nicht mehr ganz frisch aussah. Er war fast schon zur Gänze überzogen von Malewarepilzen und Defacementmoos. Eine spürbare Vibration ging durch den Rest der Ameisen und fast gleichzeitig änderten sie ihre Richtung und steuerten den besagten Serverbaum an.
Ein paar Augenblicke später traute sich der junge Browser seine Pfoten wieder zu bewegen. Der Adler setzte zur Landung an und das Erdmännchen tauchte plötzlich wieder aus dem Nichts auf und fing an zu wittern. Es dauerte nicht lang und die merkwürdig aussehenden Wesen und Tiere tauchten wieder auf und machten sich dran die pulsierenden Blumen zu besuchen.
»Ein Neuer? Schon wieder?«, raunte der Adler und musterte den kleinen Browser von oben bis unten. Er überragte den Kleinen um ein Vielfaches.
»Wer bist du denn?«, fragte das Erdmännchen und baute sich vor ihm auf? Der kleine Browser machte sich immer kleiner. Die Situation ängstigte ihn.
»Was? ich, ich, … ähm …« der Kleine stotterte und seine Stimme zitterte. Das Nackenhaar sträubte sich und er zog den Schwanz ein.
»Arnulf ich glaub du machst dem Kleinen Angst. Hast du nichts Besseres zu tun? Willst du nicht wieder los und Krach schlagen?« fragte das Erdmännchen neckisch aber mit einer gewissen Bestimmtheit im Tonfall den großen Adler.
»Werd‘ nicht frech. Du weißt, sowas wie dich muss ich nicht mal kauen.« antwortete Arnulf mürrisch und schwang sich in die Lüfte.
»Den sehen, bzw. hören wir sicher bald wieder«, kicherte das Erdmännchen. »Neuer Versuch. Wie heißt du?«.
Der kleine Browser entspannte sich etwas als er dem großen Adler Arnulf hinterher sah. Er sah das Erdmännchen an und erkannte nur Freundlichkeit und Neugier in den Augen.
»Ich weiß es nicht.« antwortete er. Das Erdmännchen wippte den Kopf hin und her. »Mmmhhh, mal sehen.« und spazierte rund um den Jungspund.
»Weißt du, ich habe hier schon einigen ihren Namen gegeben. Siehst du die Ente da vorn?« und deutete auf eine Ente, die gerade an eine Blume andockte und einen seligen Blick aufsetzte als die Blüte zum Leuchten anfing.
»Ich habe ihr den Namen DuckDuckGo gegeben und sie war damit zufrieden. Sie gibt manchmal so lustige Geräusche während dem browsen von sich und hat es danach ganz eilig zur nächsten Blüte zu kommen. Warte, gleich fängt sie an…«.
Und dann hörte er es, ein Glucksen und Gurgeln. Je angestrengter er sich auf dieses Geräusch konzentrierte desto sicherer war er sich ein »duckduckduckduck« rauszuhören und musste zum Kichern anfangen. »Oh« rief das Erdmännchen »Schau! Das siehst du hier wirklich ganz, ganz selten.« und zeigte auf ein Wesen das stark einem Eichhörnchen ähnelte.
»UC. UCCC« rief das Erdmännchen und fuchtelte wild mit den Ärmchen.
»Mmmhh. Hört mich nicht. Ist schon wieder in seinem Browsertunnel. Dem habe ich auch seinen Namen gegeben, aber bitte frag mich nicht was ich mir bei der Abkürzung gedacht hab… Das war zu meiner Spamzeit. Da habe ich ein wenig zu viel davon konsumiert. War nicht gut für die Birne.« Dabei klopfte sie sich gegen die Schläfe.
»Eigentlich wohnt der ja ganz woanders. Ungewöhnlich das er hier auftaucht…« das Erdmännchen versank in Gedanken und fing an zu grübeln.
»Was war das vorher?« die Frage des jungen Browsers riss das Eichhörnchen wieder aus den Gedanken. Der Blick schweifte zum Serverbaum, der mittlerweile mit Ameisen fast überzogen war.
»Das war die Cleaningpatrollie. Siehst du?« und deutet auf den massiven Server. An manchen Stellen konnte man schon freigelegte Bereiche sehen, wo das blanke Metall zum Vorschein kam. Gesäubert und gereinigt vom Defacementmoos und den Malewarepilzen.
»Sie sind nur hier und da etwas schlampig und übersehen oft ein paar Sporen, Wurzeln oder was auch immer. Ich mach um das Zeug, wenn irgend möglich einen großen Bogen. Das bekommt keinen von uns. Das Problem ist nur, wenn sie etwas übersehen, so schnell kannst du gar nicht schauen ist der Baum wieder zugewuchert. Zweimal im Jahr, ob‘s an den Pings da oben liegt oder was auch immer, kommt ein Heuschreckenschwarm hier durch und belagern die Serverbäume regelrecht. Es ist ein richtiges Spektakel aber viele der Bäume halten dem nicht stand. Dann bricht hier meist das Chaos aus.«
Das Erdmännchen hielt abrupt inne »Jetzt weiß ich es. Fennec. Du hast Pfoten, eine spitze Schnauze, einen buschigen Schwanz, siehst niedlich aus,… Du siehst aus wie ein Fennec.« Das Erdmännchen grinste.
»Ich bin Fesurica. Pollensammlerin. Oh. Wart hier. Bin gleich wieder da.« Damit drehte sie sich um und rannte davon. Fennec sah wie eine Blume aus der Wurzel herauskam und zu pulsieren anfing. Zusätzlich zum pulsierenden Licht fingen die Blüten zum Glitzern an. Als Fesurica ankam, dockte gerade der Phoenix an. Sie kletterte den Stiel der Blüte hinauf und schlüpfte in den Stempel der Blüte. Einen kurzen Augenblick später tauchte sie eingepudert mit einem riesigen gelben etwas in den Armen wieder auf und rannte ganz aufgeregt auf Fennec zu.
»Komm mit!« rief sie fast schon außer Atem. »Ich muss das schnell Heim bringen, bevor‘s entdeckt wird.«