Es war noch kaum die halbe Nacht um, da schlugen die Gerüchte schon hohe Wellen. Man munkelte sich, dass Pelippa in der Nacht von einem Drachen verzaubert wurde, damit sie freiwillig zu ihm in den Wald der tausend Gesichter kam. Pelippa war nicht die erste Frau, die verschwand. Vor ihr gingen, pardon, verschwanden schon viele junge Frauen. Man muss nicht erwähnen, dass das Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Bewohnern langsam kein Gleichgewicht mehr war, denn die jungen Frauen wurden nie wiedergesehen. Mittlerweile kamen auf eine Frau, im heiratsfähigen Alter, drei junge Männer und die Kinder im Dorf wurden weniger.
Man sieht hier schon, die gelebten Werte der Bewohner sind schon etwas angestaubt.
Die Dorfältesten hatten die ganze Nacht und den darauffolgenden Tag bis kurz vor Sonnenuntergang darüber diskutiert, was man tun kann und hätten tun können, um Pelippa zu retten.
Pelippa war versprochen
Binabik einleitung
Nun kam es, dass ausgerechnet der junge Neuankömmling, der noch nicht lange in der Gegend war, losziehen wollte, um Pelippa zu retten. Es war aber allgemein bekannt, dass der Neuankömmling ein ziemlicher Feigling war, denn er hatte angeblich sogar Angst vor Mäusen. Binabik, der Neuankömmling, durfte trotzdem gehen. Der Herr des Dorfes meinte nur: „Lasst ihn nur gehen! Es gibt eh nur zwei mögliche Ausgänge. Entweder er kommt heulend in die Stadt zurückgelaufen oder der Drache des Waldes frisst ihn.“
Binabik ging mit dem Wind im Rücken auf den Wald der hundert Gesichter zu. „Der Wald hat den Namen nur zu sehr verdient, “ dacht sich Binabik.
„Am Tag sieht er friedvoll aus, ist aber gefährlicher als alles andere und bei Nacht sieht er unheimlicher aus als alles was ich bisher gesehen habe.“
Doch er ließ sich nicht abschrecken und ging weiter. Binabik wusste nicht, wo er mit der Suche eigentlich beginnen sollte, denn Pelippa konnte schon längst im Verdauungstrakt eines Drachens stecken. Aber das Herz von Binabiks sagte ihm etwas anderes, denn er, Binabik der Ängstliche, hatte sich in die wunderschöne Pelippa verliebt.
Der Pfad war dunkel vor ihm, teilweise musste er auf allen Vieren den Weg wieder suchen, bis es zu dunkel war für seine Augen, um noch irgendetwas zu erkennen. Daher entschloss er sich in einem dicht verästelten Baum zu übernachten. Am nächsten Morgen wachte er früh auf. Der Nebel wälzte sich durch den Wald und von überall her drangen fremdartige Geräusche zu Binabik. Nachdem er von dem Baum heruntergeklettert ist, tastete er sich langsam vor, denn der Nebel war so dicht, dass man kaum die Hand vor Augen erkennen konnte. Binabik war nun leichte Beute. Er sah nicht weit, die Angst wurde in ihm, gleich wie die Kälte, langsam aber stetig größer als plötzlich das schlimmste passierte, was nur hätte passieren konnte.
Es tauchte vor ihm im Nebeln auf. Es im Vergleich zu Binabik riesen groß. Wenn Binabik schreien hätte können oder ähnliches, hätte er es bestimmt getan, doch er war starr vor Angst. Sein Mund ging zwar auf und zu aber kein Ton kletterte über seine Lippen. Das riesige Monstrum kam direkt auf Binabik zu und blieb vor ihm stehen. Der Nebel lichtete sich etwas und er umspülte nur noch die Füße, um dann seinen Weg fortzusetzen. Als der erste Schrecken bei Binabik vorbei war, drehte er sich blitzartig um und wollte davonlaufen. Der riesige Drache aber packte ihn am Rucksack und hängte ihn auf einen Ast hoch oben in den Baumwipfeln. Dort zappelte nun der arme Binabik und machte eine erbärmliche Figur.
Der Drache aber hatte nicht wirklich Interesse daran das magere kleine Bürschchen zu verspeisen, denn sonst hätte er es schon lange getan. Binabik schrie wie am Spieß, nur mit dem Unterschied, dass der Drache immer dann, wenn Binabik eine Pause zum Luft holen machte, eine kleine Feuerflamme spuckte. Al wolle er im Takt zu Binabiks Geschrei spucken. Irgendwann hörte Binabik vor lauter Erschöpfung auf zu schreien und der Drache schaute in fragend an.
„Wieso hörst du auf zu singen, wir waren doch ein gutes Team.“ meinte der Drache. Jetzt war Binabik wirklich sprachlos. Ein riesen Drachen vor ihm, der ihn bis jetzt noch nicht verspeist hat, der aus seinem Geschrei ein Lied macht und der spricht. Das war zu viel für den guten Binabik. Er wusste nicht ob er jetzt weiter schreien, dem Drachen antworten oder einfach das Bewusstsein verlieren sollte und hoffen, dass alles nur ein Traum war. Binabik entschied sich für die dritte Möglichkeit und verlor das Bewusstsein…
Der Drache packte den armen Binabik und schleppte ihn mit sich mit. Während des langen Marsches pfiff der Drache immer wieder eine Melodie. „Wie schade, dass die Leute immer gleich davonlaufen müssen, wenn sie mich sehen“, meinte er und sah dabei Binabik an. „Dabei mag ich doch gar kein Fleisch. Jeder weiß doch wie gut die Früchte hier im Wald schmecken.“
Als Binabik wieder aufwachte, befand er sich in einer großen Höhle auf einem Moos Bett. „Na endlich wach?“ fragte der Drache Binabik…
„Wie heißt du denn?“
„B-b-Binabik.“
„Binabik? Das ist aber ein netter Name. Mein Name ist Diogo. Schön, nun wären wir ja schon einen Schritt weiter.“ meinte Diogo, der Drache. Daraufhin blickte Binabik Diogo fragend an. „Wieso hast du mich noch nicht verspeist??“
„Weil ich Vegetarier bin. Es gibt übrigens viele Drachen, die kein Fleisch essen. Zwar nicht alle, denn nicht alle Drachen sind gut, einige sind sogar richtige Bösewichte.“
„Was meinst du eigentlich mit ‚einen Schritt weiter‘?“
„Damit meine ich, dass du nichts mehr laut singend vor mir davonläufst.“
„Das war kein singen, sondern schreien.“ Binabik wurde etwas verlegen und blickte zu Boden. Er hatte geglaubt, dass alle Drachen böse waren, und nun stand er vor dem kompletten Gegenteil. Was Irrsinnigeres gab es wohl nirgendwo anders. „Was machst du eigentlich in der Gegend Binabik“
„Ich suche jemanden!“
„Wen denn,“ fragte Diogo neugierig. „Ich kenne fast jeden hier!“
„Ich suche ein junges Mädchen, das fast gleich aussieht wie ich.“
„Du meinst auch mit so einer blaugrünen Haut und blonden Haaren?“
„Ja, hast du sie gesehen?“
„Von denen gibt es hier genug!“
Jetzt war Binabik zum zweiten Mal an diesem Tag völlig sprachlos überrascht. „Genug von ihnen?“ fragte Binabik zögerlich.
„Natürlich. Die haben hier ein richtiges Dorf gegründet. Nur Männer sind etwas Wenige. Du würdest dort richtig reinpassen.“
„Aber ich bin doch nur ein kleiner Feigling. Binabik, der Feigling.“
„Ach Unsinn, du hast, doch schon waren Heldenmut erwiesen, indem du den Wald der hundert Gesichter betreten hast. Wahre Stärke kommt von innen und die hast du bewiesen. Nur das mit den Ohnmächtig werden, daran solltest du noch etwas arbeiten.“ Diogo und Binabik sahen sich an und fingen herzhalft an zu lachen. „Wie heißt eigentlich dein verlorenes Schäfchen?“
„Pelippa.“
„Ach, die kenne ich. Ich habe sie damals zu dem Dorf gebracht. Sie sah damals so traurig aus und da habe ich sie gefragt was sie hat. Da hat sie doch glatt geantwortet, dass sie ihr Herz an jemanden in ihrem ehemaligen Dorf verloren hat.“ Bei diesen Worten wurde Binabik ganz hellhörig. Er hatte neuen Mut geschöpft und wollte nun Pelippa unbedingt wiedersehen. Zu dem Dorf würde er nie mehr zurückkehren. Von denen hatte er die Nase voll.
Am nächsten Morgen machten sich Binabik und Diogo auf zu dem geheimen Dorf im Wald. Dort angekommen, verabschiedete sich Diogo von Binabik und ging zurück zu seiner Höhle.
„Nimm dich vor dem bösen Drachen in Acht und Besuch mich mal!“
„Mach ich.“ und so verabschiedeten sie sich. Im Dorf erzählten sich Binabik, das Pelippa zum Wasserfall spazieren ging und Binabik folgte ihr. Als Pelippa in sah konnte sie sich nicht zurückhalten und umarmte Binabik. Doch in diesem Augenblick, als die beiden sich in den Armen hielten und sich vor Freude küssten, kam der Herr des Waldes. Der schrecklichste und furchteinflößendste Drache, den es je gegeben hat und verschlang die beiden mit einem Mal.
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